
Freigang: „Am Saisonende wäre ein Titel das Schönste überhaupt!"

01/29/2025 02:09 AM
Am kommenden Freitag startet das Fußball-Jahr für die Frauen der Frankfurter Eintracht. Dabei wartet auf die Kickerinnen von Cheftrainer Niko Arnautis gleich ein echter Kracher, denn mit Bayer 04 Leverkusen kommt der derzeitige Tabellendritte nach Frankfurt. Die SGE selbst ist bekanntlich Tabellenerster und überwinterte am Platz an der Sonne.
Dabei können die Frauen der SGE auf auch Nationalspielerin Laura Freigang bauen, die in der Hinrunde grandios in Form und mit elf Toren in 12 Spielen die beste Torjägerin der Frauen Bundesliga war. Im „Kicker“ sagte Freigang nun, dass sie auch in der Rückrunde auf ihre Mannschaft vertraue: „In den vergangenen Jahren habe ich öfter gehört, dass unser Kader zu dünn sei. Auch 2023/24, als wir in der Champions-League-Gruppenphase waren. Am Ende des Tages haben wir trotzdem immer gute Leistungen gezeigt. Darauf vertraue ich auch dieses Jahr. Ich bin total glücklich mit den Leuten, die wir hier haben, und hoffe, dass alle fit bleiben.“ Trotzdem gab sie erneut an, dass der Meistertitel innerhalb des Teams noch gar kein großes Thema sei: „Ich glaube, es hilft nicht unbedingt, wenn man die ganze Zeit über etwas spricht, was noch gar nicht da ist. Wir sind uns der Möglichkeit bewusst. Das eine oder andere Mal fällt das Wort auch und man träumt mal für ein, zwei Minütchen. Wir sind nach zwölf Spielen Tabellenerster, eine Momentaufnahme. Aber wir wissen, dass die Saison noch lang ist und dass jedes Spiel zählt. Das haben wir diese Saison auch erlebt: Wir hatten schon bittere Punktverluste.“ Trotzdem wolle die 26-Jährige den aktuellen Stand aber nicht kleiner reden als er sei. Man müsse das auch genießen. „Es bringt nichts, wenn man ein halbes Jahr vorher von einem Titel träumt und dann über die Wochen vergisst, das zu genießen, was man macht. Am Saisonende wäre ein Titel das Schönste überhaupt. Denke ich zumindest, ich habe ja noch keinen gewonnen (lächelt). Aber die Wochen dazwischen sollte man genießen. Wozu macht man das alles sonst?“, erklärte sie.
Erwachsene SGE
Damit die Adlerträgerinnen bestens vorbereitet ins neue Jahr gehen können, bezog man im Januar ein Trainingslager in Portugal. „Es war eine schöne, lange Winterpause. Wir hatten uns also länger nicht gesehen“, betonte Freigang und erklärte, an welchen Stellschrauben gedreht worden sei: „Offensiv und defensiv haben wir ein paar Schwerpunkte, an denen wir immer noch feilen.“ Es sei aber grundsätztlich darum gegangen, sich wieder aneinander zu gewöhnen und die guten Dinge der Hinrunde zu festigen. Im Gegensatz zu den Vorjahren, wo der SGE immer noch mehr zugetraut wurde, habe man dieses Jahr einige Dinge besser gemacht. „Wir sind die torgefährlichste Mannschaft gewesen, was dafür spricht, dass wir vor dem Tor effektiver geworden sind. Gleichzeitig haben wir extrem wenig zugelassen, was für unsere Defensivleistung spricht. In den Jahren davor hatten wir immer wieder das Manko, dass wir unsere Chancen nicht verwerten, wenn es wichtig ist“, erklärte die Nationalspielerin. Sie selbst sehe auch innerhalb der Saison bereits einen Fortschritt, denn die Mannschaft sei „auf jeden Fall erwachsener“ geworden und sie habe das Gefühl, dass man jedes Jahr gereift sei. Der große Test folge aber jetzt: „Wie lange können wir das Niveau konstant durchhalten? Konstanz auf einem sehr hohen Niveau ist das, was wir anstreben. Die macht den Unterschied, ob du am Ende erfolgreichen Fußball und um Titel spielst oder ob du nur eine sehr gute Mannschaft mit sehr viel Potenzial bist.“ Dabei begann die Spielzeit denkbar schlecht, denn beim Champions League-Qualifikationsturnier schied die SGE überraschend aus. „Es tat in dem Moment unglaublich weh. Aber es bringt nichts, Vergangenem nachzutrauern. Wenn etwas vorbei ist, ist es vorbei. So lebe ich – und will mich nicht zu lange damit rumquälen. Ich nutze den Schmerz als Antrieb. Und dann muss es weitergehen“, erinnert sich die 26-Jährige an die Zeit danach.
Weniger Druck – mehr Tore
Dass sie derzeit auch persönlich so abliefere sei ein Lohn für die vergangenen Jahre, erklärt sie: „Ich habe konstant über die vergangenen Jahre versucht, alles zu optimieren. Ich reife mit jedem Jahr, werde reicher an Erfahrungen, lerne mich selbst und mein Umfeld besser kennen. Ich habe an vielen kleinen Schrauben gedreht, ob fußballspezifisch oder im Privatleben“, erklärte sie und spezifizierte: „Fußballspezifisch habe ich sehr viel an meinem Spiel analysiert und versucht, Punkte zu finden, an denen ich arbeiten kann. Teilweise kleine Details wie mein Positionsspiel. Im Privatleben habe ich einen Ausgleich gefunden mit all dem, was ich außerhalb vom Fußball mache, das mich sehr erfüllt. Das brauche ich.“ Wichtig sei auch die innere Balance abseits des Platzes, die sie versuche zu finden, zum Beispiel indem sie ihr Studium abgebrochen habe. Nachdem sie in den letzten Jahren immer torgefährlich war, steigerte sie dies nun noch einmal immens und legte auch in der Kaltschnäuzigkeit zu. „Ich habe im Moment eine gewisse Gelassenheit vorm Tor. Bei all der Spannung, Motivation, bei all dem Druck brauche ich eine gewisse Gelassenheit und ein Gefühl von Freiheit. Das habe ich vorm Tor dieses Jahr viel mehr als in anderen Saisons, als mir nachgesagt wurde, dass ich effektiver werden sollte. So etwas hat man im Hinterkopf. Jetzt dagegen, wenn ich vor dem Tor stehe, weiß ich: Ich mache den rein. Der Kopf ist ein riesengroßer Faktor“, gab sie Einblicke in ihre Gedanken. Diese Stärke habe sie sich auch erarbeitet, allerdings sei die Überzeugung auch ein großer Faktor. Sie habe daher die Torjägerkanone durchaus als Ziel, wolle sich aber nicht zu viele Gedanken machen: „Ich würde mich total freuen, wenn ich mal Torschützenkönigin werden würde. Aber ohne Spaß: Seitdem ich mich weniger darum schere, wie viele Tore ich schieße, schieße ich mehr Tore. Deswegen fange ich jetzt nicht an, über Torjägerkanonen nachzudenken. Und viele der Tore, die ich gemacht habe, waren einfach nur sehr gut vorbereitet.“ Neben der Abschlussstärke sehe sie aber auch das Spielerische als Pluspunkt bei sich selbst: „Meine Stärke liegt nicht im Spiel an der letzten Kette, sondern zwischen den Ketten. Ich brauche diese Freiheiten. Das sieht man an den Toren. Ich bin keine von unseren beiden Stürmerinnen vorne, sondern ich profitiere davon, mich in diesem Zwischenraum zu bewegen, aber nutze den auch sehr gut.“ Hier sei ein Timing bei den Läufen in den Strafraum wichtig, aber auch, dass sie den Ball in die Tiefe spielen könne. Verbesserungspotential sehe sie dagegen im Tempo und im Zweikampf oder mit dem Rücken zum Tor. Bei den Eintracht-Frauen werden es spannende Wochen, denn keine zwei Wochen nach dem Start des Fußball-Jahres wartet mit dem Pokal-Viertelfinale beim FC Bayern gleich das nächste Highlight. Freigang macht das vergangene Jahr Mut, als die SGE lange gut mithielt, aber knapp im Elfmeterschießen ausschied: „Wir waren vergangenes Jahr in der fast gleichen Situation: im Halbfinale auswärts am Bayern-Campus. Damals haben wir ein sehr gutes Spiel gemacht.“
Deutlich schlechter als bei der SGE läuft es für Freigang bei der Nationalmannschaft, wo sie keine Stammspielerin ist und zumeist von der Bank kommen muss. „Wenn es über lange Zeit so ist, man nur selten spielt, frustriert das immer ein bisschen“, erklärt sie und betont, dass die hier Rückendeckung von den Eintracht-Teamkolleginnen bekommt: „Aber ich glaube, jede Einzelne konnte das gut einordnen. Wir haben immer die Möglichkeit, uns gegenseitig zu unterstützen, weil wir uns so gut kennen. Wir sind alle Profisportlerinnen – wir wissen, wie es läuft. Wir haben die Situation angenommen, aber wünschen uns alle eine andere Rolle – jede will mehr spielen. Mit dem Trainerwechsel haben einige von uns mehr Chancen bekommen. Zuletzt waren wir ja bis zu acht Eintracht-Spielerinnen bei den Lehrgängen.“ Die Rolle als Jokerin sei ihr allerdings nicht fremd: „Ich glaube, ich kann beides. Als klassischen Joker sehe ich mich nicht, weil ich meine Rolle bei der Eintracht und meine Stärken ganz anders einschätze. Ich stehe am liebsten 90 Minuten auf dem Feld und glaube, dass ich über den gesamten Spielverlauf Einfluss nehmen kann. Ich kann sehr viele Meter gehen und bin bis zum Spielende immer zu einer verändernden Situation fähig. Ich war aber auch stolz darauf, dass ich beim DFB sehr schnell schalten konnte, wenn ich reinkam: noch eine überraschende Situation kreieren, noch eine Chance haben. Deshalb würde ich mich auf keins der beiden reduzieren.“
Herzensentscheidung Eintracht Frankfurt
In den letzten Jahren und Monaten gab es immer mal wieder Berichte, laut denen andere Vereine Interesse an der 26-Jährigen haben – Mitte des vergangenen Jahres entschied sich Freigang aber für einen Verbleib bei der SGE und verlängerte ihren Vertrag. „Ein Aspekt ist, dass ich den deutschen Frauenfußball mitgestalten möchte. Das geht schwieriger, wenn man im Ausland ist. Ich kann jede verstehen, die den Schritt macht, weil es eine tolle Erfahrung ist“, erklärte sie und erinnerte sich an ihre Zeit am College in den USA von 2016 bis 2018: „Als persönlichen Schritt finde ich das super.“ Sie habe sich aber bewusst dagegen entschieden: „Ich habe aber diesmal weder den Drang noch den Willen verspürt. Außerdem wollte ich einfach hierbleiben. Das war eine aktive Entscheidung für die Bundesliga, für Eintracht Frankfurt. Es braucht Identifikationsfiguren. Als eine solche nehme ich mich mittlerweile wahr. Ich merke, dass ich einen gewissen positiven Einfluss habe, den ich nutzen möchte. Deswegen finde ich es schön und wichtig, wenn wichtige Spielerinnen wie Lena Oberdorf, die sicher zu jedem anderen Verein auf der Welt hätte wechseln können, sich für einen Bundesliga-Verein entscheiden. Wir brauchen eine attraktive Bundesliga.“
The post Freigang: „Am Saisonende wäre ein Titel das Schönste überhaupt!“ appeared first on SGE4EVER.