Lisanne Gräwe: von der Ersatzbank in die Nationalmannschaft
11/12/2024 06:00 AM
Seit Beginn der Saison 2024/2025 reitet die Frankfurter Eintracht auf einer großen Euphoriewelle. In der Google Pixel Frauen-Bundesliga belegt das Team von Cheftrainer Niko Arnautis mit 20 Punkten den zweiten Tabellenplatz und ist neben der Konkurrenz aus Wolfsburg, München und Leverkusen ein echter Meisterschaftskandidat. Nach dem Sieg respektive dem Unentschieden in den beiden Spitzenspielen gegen den VfL Wolfsburg und den FC Bayern setzten die Hesinnen mit der jüngsten 8:0-Gala gegen den 1.FC Köln ein weiteres Ausrufezeichen. Mit der SGE muss in dieser Spielzeit gerechnet werden. Mitverantwortlich für diesen bisher sehr erfolgreichen Weg ist Lisanne Gräwe, die bis jetzt in jedem Saisonspiel zum Einsatz kam. Ihre guten Leistungen wurden sogar von Bundestrainer Christian Wück mit der erstmaligen Nominierung in die A-Nationalmannschaft belohnt. Im Interview mit der Fußball-Nachrichtenplattform „90Min.com" sprach die junge Adlerträgerin über ihren rasanten Aufstieg, über die Eintracht und über ihr Debüt bei der deutschen Nationalmannschaft.
Beginn einer steilen Karriere
Ihre Karriere als Fußballprofi begann Gräwe mit 16 Jahren bei der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg. Zwei Jahre später setzte sie ihre Karriere bei Bayer 04 Leverkusen fort und konnte dort auf sich aufmerksam machen. Auch bei der Werkself stand die gebürtige Rheda-Wiedenbrückerin für zwei Jahre unter Vertrag, ehe sie sich Eintracht Frankfurt anschloss. Wie es zum Wechsel an den Main kam, erklärte Gräwe wie folgt: “Ich muss sagen, es gab irgendwie keinen krassen Grund, der überwogen hat. Ich denke, ich wäre mit beiden Entscheidungen fein gewesen und ich habe auch echt lange überlegt. Aber ich hatte dann ein paar Gespräche mit Niko (Arnautis) und im Endeffekt hat mein Bauchgefühl dann entschieden”. Ein Wechsel, der sich als die richtige Entscheidung herauszukristallisieren scheint. Die Eintracht habe sie gut in die Mannschaft aufgenommen. Die 21-Jährige fühle sich in der Stadt am Main wohl, was für sie ein wichtiges Kriterium ist. „Ich bin eine Spielerin, die Leistung bringen kann, wenn sie sich wohlfühlt und das kann ich hier zu 100 Prozent unterschreiben. Ich habe das Gefühl, dass ich hier am richtigen Ort bin, um mich weiterzuentwickeln”.
Die Mittelfeldspielerin gehört zu den Shootingstars des deutschen Frauenfußballs. Passgenauigkeit, Spielübersicht und Zweikampfverhalten gehören zu ihren Stärken. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es trotzdem. “Es ist wichtig für meine kommenden Jahre, dass ich mich hier weiterentwickeln kann und ein bisschen mutiger spiele”, so die Adlerträgerin. Besonders die bittere Kreuzbandriss-Verletzung von Tanja Pawollek veranlasste Gräwe dazu, als neue Stammspielerin Verantwortung zu übernehmen. Für die junge Akteurin war das somit eine große Chance, doch das Wichtigste für sie war die Gesundheit ihrer Teamkollegin. „Ich fand es einfach schade, dass Tanja uns fehlt, weil sie einfach ein toller Mensch ist und wichtig fürs Team ist. Dann habe ich mich einfach gefreut, dass ich spielen durfte und habe versucht, so gut es geht zu übernehmen.” Druck habe sie zudem nie verspürt, stattdessen konnte sie sich auf zahlreiche Unterstützung verlassen. “Ich habe auch vom Team immer Rückhalt gespürt, sodass ich wenn ich Druck hatte, ihn mir selbst gemacht habe. Auch Niko (Arnautis) stand immer hinter mir." An dieser Phase habe sie nicht nur ihren Spaß gehabt, sondern in dieser habe sie sich auch weiterentwickelt.
Bundestrainer ruft an
Ihre positive sportliche Entwicklung machte sich auch beim DFB bemerkbar, sodass Bundestrainer Wück die Frankfurterin erstmals in die Nationalmannschaft berief. Gräwe erinnert sich: „Ich habe damit gar nicht gerechnet. Es ist ja jetzt auch die U23 eingeführt worden und ich habe damit gerechnet, dass ich dann eher dafür eingeladen werde. Umso schöner ist es, dass ich dann da mitfahren und die ganzen Eindrücke und Abläufe kennenlernen durfte. Es war eine mega coole Erfahrung, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht." Beim Spiel gegen England musste sie noch von der Bank aus zuschauen, gegen Australien allerdings durfte sie ihr Debüt im Dress der DFB-Frauen feiern und eine Halbzeit lang durchspielen. “Ich hab mich mega aufs Spiel gefreut. Die ersten zehn Minuten war ich schon ein bisschen aufgeregt, aber das hat sich irgendwann auch gelegt. Ich war froh, dass meine Familie und Freunde im Stadion waren – das schätze ich sehr", zeigt sie sich dankbar.
Champions League als klares Ziel
Aber nicht nur Gräwe selbst, ihre gesamte Mannschaft Eintracht Frankfurt spielt momentan eine grandiose Saison und macht im Vergleich zur letzten Saison einen weiteren Schritt nach vorne. “Ich glaube, dass wir im ganzen erwachsener und ruhiger mit dem Ball spielen, den Ball laufen lassen und uns die Gegner somit dann auch zurechtlegen. Wir sind geduldig und effizient vor dem Tor. Aber auch hinten sind wir enorm stark in dieser Saison. Wir lassen sehr wenig zu und machen vorne die Dinger – das ist das, was uns am Ende auszeichnet”, schilderte sie. Luft nach oben ist immer vorhanden. Für die Spielerin könne ihr Team die Leistung konstanter halten und eiskalter werden.
Ein großes Ziel der Eintracht ist die Qualifikation für die Women's Champions League. In dieser Spielzeit scheiterte die Mannschaft von Trainer Arnautis bereits in den Play-Offs gegen Sporting Lissabon. Aus dem bitteren Rückschlag zog man jedoch die richtigen Schlüsse. “Im Ganzen würde ich sagen, dass es uns als Team zusammengeschweißt hat. Danach haben wir auch in der Liga top performt, sind nicht eingebrochen oder haben uns davon runterziehen lassen", machte Gräwe deutlich. Die Adlerträgerin sieht in ihren Mitspielerinnen die nötige vorhandene Qualität, um in der Königsklasse vertreten zu sein. „Jede einzelne Spielerin hat das Niveau auf internationalen Level zu spielen und zu performen. Es ist das, wo wir hinwollen, dass wir international konstant Leistung zeigen", zeigt sie sich optimistisch.
Mit ihren guten Auftritten kann das junge Talent einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, dieses ersehnte Ziel wieder zu erreichen.
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